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Zum Ende der Seite springen Solaris (2002)
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Daumen runter! Solaris (2002)       Zum Anfang der Seite springen

Inspiriert durch die Rezension von LX habe ich mir den Film Solaris von 2002 mit George Clooney angeschaut. Ich war etwas überrascht über die doch sehr hohe Bewertung (10 von 10 Punkten), denn LX ist ja doch sehr anspruchsvoll und ein Film, der von ihm so hoch bewertet wird kann eigentlich nicht schlecht sein – dachte ich zumindest bisher. Beim Lesen der Rezension ist mir nach den ersten Zeilen sofort ein besonderer Fakt aufgefallen: Er hat das Buch nie gelesen und wusste vermutlich auch nicht, welche Bedeutung es in der Geschichte der Science-Fiction-Literatur hat. Zu diesem Thema empfehle ich meine Buchbesprechung zu Solaris.

Zum Inhalt möchte ich nun nicht viel sagen, denn der steht bereits in der Rezension von LX und in meiner Buchbesprechung. Vielmehr möchte ich auf den Umstand aufmerksam machen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen dem Buch und dem Film gibt. Der Film mit George Clooney, den ich als Schauspieler übrigens durchaus schätze, setzt die Beziehung zwischen Chris und seiner Frau in den zentralen Mittelpunkt der Geschichte. Alles anderen rückt extrem in den Hintergrund, so dass man es eigentlich "nur" noch mit einer Liebesgeschichte auf einer Raumstation zu tun hat. Die Frage, warum die Besatzung "Gäste" hat, wird so gut wie komplett ausgeblendet. Ebenso wird das Thema der "Solaristik" – also die Wissenschaft des über den Planeten "Solaris", auf dem die Geschichte spielt - vollständig weggelassen oder nur so vage angedeutet, dass sie eigentlich nur jemand bemerkt, der Lems großartiges Buch gelesen hat. Dieser Umstand ist ausgesprochen schade, denn nur durch dieses Hintergrundwissen werden dem Leser Theorien über die Entstehung der "Gäste" geliefert und es entsteht ein logischer und sehr spannender Zusammenhang zwischen dem Planeten und der Situation auf der Raumstation.

Was ich persönlich besonders merkwürdig an dem Film finde ist die Tatsache, dass einige Namen geändert wurden. Chris Kelvin ist zwar immer noch die Hauptfigur (wird aber anders geschrieben!), aber seine Frau heißt Rheya und nicht Harey wie im Buch. Dr. Snaut wurde in Dr. Snow umgewandelt und aus Dr. Sartorius wurde der weibliche Dr. Gordon gemacht. Bei Rheya handelt es sich offensichtlich um einen Buchstabentausch und "Snaut" und "Snow" klingen sicherlich nicht zufällig recht ähnlich. Grundsätzlich ist nichts Schlimmes daran, aber es gibt auch keinen Grund die Namen zu ändern. Ich bin schon der Ansicht, dass man die Namen der Personen, wenn man die Charaktere nicht komplett streicht, beibehalten sollte. Man stelle sich vor, man würde anstelle von "Romeo & Julia" plötzlich "Mario & Jenny" von Shakespeare aufführen.

Wie schon weiter oben erwähnt wird die fiktive Wissenschaft der Solaristik fast vollständig ausgeblendet. Das ist äußerst schade, denn hier liegt ein besonderer Reiz der Geschichte. Lem versucht nämlich den Sinn und Unsinn einer gesamten Wissenschaft anhand der Solaristik zu beschreiben. Jeder, der sich jemals mit einer Wissenschaft näher befasst hat, wird diese Seiten im Buch mit Vergnügen lesen. Zugegebenermaßen ist dieser Teil des Buches sehr schwierig umzusetzen, aber dem Film ist vorzuwerfen, dass er es nicht mal versucht – immerhin macht dieser Teil mindestens ein Drittel des Buches aus.

Positiv an dem Film möchte ich die Erzählweise hervorheben, die LX schon in seiner Rezension so gelobt hat. Diese ruhige und bedächtige Art des Erzählens wäre ganz im Sinne Lems gewesen. Das ist wirklich toll gelungen. Die Handlung dieser Liebesgeschichte ist auch im Wesentlichen buchgetreu wieder gegeben, zumindest wurde nichts weggelassen. Dafür wurde einiges dazu erfunden, vor allem die Ereignisse in der Vergangenheit des Pärchens wurden ausführlicher als im Buch dargestellt. Auch optisch überzeugt der Film, allerdings hätten die Darstellungen der Planetenoberfläche durchaus ein wenig mehr in den Mittelpunkt gerückt werden dürfen. Hier sind sie tatsächlich nur drei oder vier Mal kurz zu sehen. Erklärungen dazu gibt es keine.

Fazit:
Netter Film, der aber an die Brillanz und vor allem an die intellektuelle Tiefe des Buches nicht annähernd heranreicht. Soweit ich weiß, war er sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik kein großer Erfolg, was mich persönlich nicht wundert. Dem Publikum fehlt da einfach die Action und die Spannung und die Kritik empfindet diesen Film im Vergleich zum Buch zu eindimensional. Zurecht.

4/10 Punkten

P.S.: Es gibt übrigens noch eine sehr bekannte russische Verfilmung aus dem Jahre 1972, die deutlich besser sein soll. Allerdings habe ich sie nicht gesehen, was ich aber bei Gelegenheit mal nachholen werde.

In der Wikipedia steht kurz und knapp, was der Meister selbst zu beiden Filmen sagt: "Sein Roman Solaris (1961) wurde 1971 von Andrei Tarkowski (Solaris (1972)) und erneut 2002 von Steven Soderbergh (Solaris (2002)) verfilmt. Lem selbst hielt von beiden Filmen nichts." Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Lem

Ich denke das spricht für sich...

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Zuletzt gelesen: Stanislaw Lem - Die phantastischen Erzählungen (Note: 2+)
Aktuelles Buch: Michael Wigge - Ohne Geld bis ans Ende der Welt
08.09.2007 16:21 Styx ist offline E-Mail an Styx senden Beiträge von Styx suchen
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